Ablegerbildung

Die einfachste, schnellste und sicherste Art, geziehlt Bienenvölker zu vermehren

Die Imkerei der heutigen Zeit muss anders geführt werden, als dies noch bis zu den Jahren um 1950 möglich war.

Bis um die Mitte des 20. Jahrhunderts hatte die Landwirtschaft noch bäuerlichen Charakter. Der Bauer bearbeitete seinen Betrieb hauptberuflich. Die Größe der Betriebe überschritt (zumindest hier im Bauland) in der Regel selten die Größenordnung von 20 ha. Dabei war die Bandbreite seiner Erzeugnisse wesentlich weiter gespannt, als dies heute der Fall ist. Vom Rind, über das Schwein, das Pferd die Hühner mit Ackerbau, Grünland und Obstwiesen war in der Landwirtschaft der damaligen Zeit alles vertreten. Nicht jeder, aber doch eine große Anzahl an Landwirten hatten auch Bienen in ihrem Betrieb als zusätzliche Erwerbsmöglichkeit integriert. Die Ehefrau des Bauers arbeitete im Betrieb mit und selbstverständlich waren auch immer die Eltern und die Kinder des Landwirts mit der Erledigung leichterer Arbeiten betraut.

Mit der fortschreitenden Industrialisierung spezialisierten und vergrößerten sich auch die Landwirtschaftlichen Betriebe. Der überwiegende Teil der Bevölkerung, der vorher noch in der Landwirtschaft eingesetzt war, fand nun in Industriebetrieben seine Beschäftigung. Die Zeit, über die jeder selbst frei verfügen konnte schrumpfte auf die Stunden nach Feierabend und am Wochenende zusammen. Das Fassen eines Bienenschwarmes, der in der Regel um die Mittagszeit und am frühen Nachmittag fällt, war nun nicht mehr möglich.

Diese Wandlung führte ganz automatisch dazu, dass die Vermehrung der Bienenvölker so organisiert werden musste, dass sie in die Freizeit des Imkers einzubetten war.

Dies ist am besten über die Bildung von Ablegern möglich.

Zur Bildung eines Ablegers setzt man ganz einfach aus einem starken Volk 4 bis 8 Waben mit den ansitzenden Bienen in eine leere Zarge um, kehrt noch Bienen von 2 bis 4 gedeckelten Brutwaben dazu und stellt diese Zarge dann in ca. 2 km Entfernung vom Bienenstand auf. Bei den Waben müssen mehrere Brutwaben enthalten sein, mindestens eine Wabe muss auch frische Stifte aufweisen. Die Königin sollte im Ableger möglichst nicht enthalten sein.

Dies ist die einfachste Art, ein Bienenvolk zu vermehren. Sie enthält aber schon automatisch das wichtigste Kriterium für die Zeit-gesteuerte Vermehrung von Bienen, nämlich die Tatsache, dass der Imker und nicht das Bienenvolk entscheidet, wann der Ableger entsteht.

Selbstverständlich kann dieses Verfahren verfeinert und ausgebaut werden, damit auch eine gezielte Vermehrung mit der Verbesserung des Völker-Bestandes einer Imkerei erreicht werden kann.

  1. Als erstes bietet sich zur Verfeinerung des obigen "Einfach-Ablegers" die Möglichkeit an, dass man darauf achtet, die Königin nicht mit in den Ableger "umzuquartieren", sondern diese im bestehenden Volk belässt. Der Vorteil liegt darin, dass auf diese Weise das Muttervolk seine aufsteigende Entwicklung und damit den Eintrag des Honigs weiter so durchläuft, als wäre nichts geschehen. Dem Volk wird lediglich der Anreiz genommen zu schwärmen, da durch die entnommenen Bienen und Brut ein Überangebot an Individuen, das zum Schwarm führen würde, unterbunden wird. Wenn sich das Muttervolk trotz dem sehr kräftig weiter entwickelt und Schwarmstimmung zu befürchten ist, kann aus diesem Volk nach zwei bis drei Wochen ein weiterer Ableger gebildet werden.

  2. Die zweite Möglichkeit der Verfeinerung der Ableger-Bildung liegt darin, dass man darauf achten kann, dass Brutwaben aus denen die Bienen Königinnen nachbilden können nur von ausgewählten Völkern in die Ableger gegeben werden. Die Bienen im Ableger ziehen sich nämlich aus frisch geschlüpften Stiften, die mit in den Ableger gegeben werden ihre künftige Königin selbst. Achtet man nun bei der Ableger-Bildung darauf, dass in den Ablegern nur Waben mit Stiften und jüngsten Larven Verwendung finden, die aus einem Volk mit guten Eigenschaften stammen, so hat man im nächsten Jahr auch Jung-Völker, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die guten Eigenschaften des Muttervolkes besitzen. Man kann auf diese Art schon mit einfachen Maßnahmen züchterisch in seinen eigenen Völkerbestand eingreifen.

  3. Als dritte Möglichkeit, hat man die Wahl ob man nun viele kleine (mit mindesten zwei Brutwaben) Ableger erstellt, oder ob man wenige große (6 bis 8 Brutwaben) Einheiten als Nachfolgegeneration seines Bienenstandes anlegt. Mit vielen kleinen Ablegern kann man überdurchschnittliche Völkerverluste, wie sie in der Zeit der Varroa-Milbe durchaus vorkommen können schon in einem Jahr wieder ausgleichen. Mit wenigen, großen Einheiten schafft man Ableger, die ohne viel Zutun des Imkers im nächsten Jahr starke, junge Völker zur Folge haben.

  4. Eine weitere Möglichkeit der Ablegerbildung über die man Einfluss nehmen kann ist die Zeit, in der man die Ableger bildet. Legt man schon Ende April die ersten Ableger an, haben diese die Möglichkeit den ganzen Zeitraum der Volltracht für ihre Entwicklung nutzen zu können. Zusätzlich liegt der Zeitpunkt des Begattungsfluges der Jungköniginnen dann in dem Zeitraum, in dem auch die Jungköniginnen aus der natürlichen Vermehrung (dem Schwarm) ihre Begattungsflüge durchführen, in dem also von Natur aus die meisten und vitalsten Drohnen zur Begattung zur Verfügung stehen.

  5. Weiterhin kann man fördernd auf die Entwicklung der Ableger positiven Einfluss nehmen, in dem man diese an einem Platz aufstellt, der eine gute Entwicklung des jungen Völkchens gewährleistet. Trachtangebot, Lage im Gelände und Ausrichtung der Beute mit dem Flugloch sind ebenso wie das Angebot von frischem Wasser Faktoren, die die Entwicklung von Jungvölkern beeinflussen.

  6. Den wohl größten Einfluss auf die Ableger und die neuen Völker hat man aber Zweifels ohne damit, dass man die Königinnen, die in den Ablegern später das "Regiment" übernehmen selbst züchtet. Man ist als Imker mit dieser Einflussnahme in der Lage, zielgenau die Königin mit den besten Eigenschaften des Bienenstandes zu vermehren. Ob dies dann auch wirklich "Die Beste" war, oder nicht, das kann man dann im Folgejahr an Ertrag, Sanftmut, Wabenstetigkeit und anderen Faktoren beurteilen. Mit der Zeit sammelt man auch hier die Erfahrung, die einem dazu befähigt, wirtschaftlich erfolgreich zu imkern.

  7. Hat man keine eigene gute, nachzuchtwürdige Königin im Bestand, so kann man in die Ableger auch zugekaufte, reinrassige Königinnen aus Zuchtstationen zusetzen.

  8. Und schließlich kann man durch Kauf von Königinnen innerhalb weniger Jahre den gesamten Bienenbestand umwandeln. Möglich ist mit diesem Verfahren sogar ein kompletter Wechsel der Bienenrasse, die vom Imker gehalten wird.
Sicherlich sind darüber hinaus noch weitere und auch andere Szenarien denkbar. Ich nutze in meinem Bienenstand in der Regel die Ablegerbildung in Verbindung mit der Königinnenzucht aus eigenen Beständen zur Verbesserung der Leistung und der Sanftmut meiner Bienen. Gelegentlich kaufe ich auch Reinzucht-Königinnen hinzu, um auch einmal "frisches Blut" in meinen Bienenbestand zu integrieren. Damit habe ich in den vergangenen 46 Jahren die besten Erfahrungen gemacht. Ich habe mit dieser Kombination einen vitalen Völkerbestand entwickelt, der hervorragend an die Witterungs- und Tachtbedingungen meines Heimatortes angepasst ist.

Wenn dann von Zeit zu Zeit auch mal ein Schwarm am Wochenende fällt und ich dies auch noch mitbekomme, dann fasse ich natürlich auch diesen Schwarm und erfreue mich an dessen unbändiger Kraft.